Inge Moss

Die Mendel-Grundmann-Gesellschaft trauert um Inge Moss, geb. Marx, Witwe des aus Vlotho stammenden Herbert Moss (Mosheim). Inge Moss starb im Alter von 94 Jahren in Florida/USA, wo sie von ihren Töchtern Sue und Nancy betreut wurde.

Herbert Mosheim, leitender Ingenieur der Papierfabrik der Gebr. Mosheim in Valdorf, emigrierte nach dem Novemberpogrom, bei dem er in Buchenwald inhaftiert wurde, zunächst nach Großbritannien. Dort wurde er nach Kriegsbeginn interniert. 1940 konnte er aber in die USA auswandern. Er nannte er sich jetzt Herbert Moss. In einem Einwandererclub in New York traf er die Münchnerin Inge Marx, die mit 19 Jahren allein in die USA emigriert war. Herbert Moss und Inge Marx wurden ein Paar, obwohl Herbert 13 Jahre älter war als Inge.

Das einzige Kind des Ehepaares Marx

Inge Marx wurde am 24. 8. 1921 in München geboren. Sie war das einzige Kind der Eheleute  Karl und Else Marx. Ihr Vater war Vertreter einer Textilfirma. Inge wuchs in einer wohlhabenden Familie auf mit Dienstboten und Gouvernante. Die Familie machte Urlaubsreisen nicht nur in Deutsch-land, sondern auch in die Schweiz und nach Italien. Von ihren Eltern und Großeltern wurde Inge über alles geliebt und verwöhnt. Im Sommer 1938 verstarb plötzlich ihr Vater an einem Gehirntumor. Für Else Marx, deren Leben ganz auf ihren Ehemann ausgerichtet war, war dies ein schwerer Schlag.

Zur gleichen Zeit (1938!) nahm unter der  nationalsozialistischen Herrschaft der Druck auf die Juden zu, so dass Vorbereitungen zur Auswanderung in die USA getroffen wurden. Die Mutter zögerte aber mit ihrer Entscheidung, auch weil sie sich einen Neuanfang in den USA ohne ihren geliebten Ehemann kaum vorstellen konnte. So kam es, dass Inge im Mai 1940 mit kaum 19 Jahren Deutschland allein verließ, um in Amerika ein neues Leben zu beginnen.

Inge und Herbert heirateten am 28. 3. 1942 in Brooklyn. Getraut wurden sie von einem Rabbi, der aus München stammte und den Inge von ihrer Kindheit her kannte. Herbert hatte zu dieser Zeit schon eine Beschäftigung in der Papierindustrie gefunden in Bellows Falls, einer kleinen Stadt im US-Staat Vermont. Dort wurden auch ihre beiden Töchter Susan und Nancy geboren (1944 bzw. 1946). Die Familie Moss war – wie jede andere amerika-nische Familie – auf die Zukunft ausgerichtet. Über die Vergangenheit, vor allem über das Schicksal der in Deutschland verbliebenen Verwandten wurde offensichtlich wenig gesprochen. Herbert M. wusste, dass seine Schwestern Ilse, Hilde und Gerda und weitere Angehörige deportiert und in den Konzentrationslagern umgebracht worden waren. Diese Tatsache und dass er seine Familienangehörigen nicht retten konnte, belasteten Herbert M. sehr und führten bei ihm oft zu Depressionen.

Aber auch Inges Mutter und weitere Verwandte wurden von den Nationalsozialisten ermordet. Dazu sind schockierende Einzelheiten bekannt. Der „Sonderzug“ der Reichsbahn, der am 21. November 1941 von München nach Kaunas/ Litauen ging, führte die 1000 jüdischen Menschen direkt in den Tod, denn alle Männer, Frauen und Kinder wurden in einer Massenexekution sofort erschossen.

Als nun die Stadt Vlotho 1988 – auf Anregung der Mendel-Grundmann-Gesellschaft  –  alle noch lebenden Juden, deren Heimatstadt Vlotho war, einlud, war dies für die Familie Moss ein besonderes Ereignis. Inge Moss kam in Begleitung ihrer beiden Töchter Sue und Nancy. (Herbert M. war 1978 verstorben.) Sie nahmen an den Veranstaltungen der „Jüdischen Woche“ in Vlotho teil, suchten die Orte auf, wo ihre Angehörigen gewohnt und gearbeitet hatten und sprachen mit Personen, die ihre Verwandten gekannt hatten. Sue und Nancy standen vor dem Grab ihrer Großeltern, die sie nie kennen gelernt hatten: Levi und Sofie Mosheim. Sue Alterman schreibt dazu in ihrem Vorwort zu der Briefsammlung: „The family I had known about only as childhood stories became real to me.“ Ähnlich erging es ihnen sicher in München, der Heimatstadt ihrer Mutter.

Begegnungswoche in Vlotho

Die Begegnungswoche in Vlotho hatte vor allem bei den Töchtern tiefe Eindrücke hinterlassen. So schrieb uns Sue Alterman-Moss in einem Dankesbrief: „Mir fehlen die Worte, um Ihnen die tiefe Dankbarkeit und Anerkennung auszusprechen für das, was Sie für mich getan haben. Zunächst, dass Sie mir die Möglichkeit gegeben haben, Vlotho zu besuchen; ferner, dass Sie mir das Buch (SIE WAREN BÜRGER UNSERER STADT) überreicht haben, das ich als Schlüssel für meine Familiengeschichte betrachte und dafür, dass sich meine gesamten Gefühle über die heutigen Deutschen gewandelt haben…“ (Text aus dem Englischen übersetzt).

Die „Reise in die Vergangenheit“ führte zu einer lebhaften Diskussion in der Familie. Schon auf dem Heimflug kam das Gespräch auf die Briefe, die einerseits ihre Mutter und ihre Verwandten aus Bayern  geschrieben hatten, aber auch auf die vielen Briefe, die Herbert von seinen Verwandten bekommen hatten. Die Töchter baten ihre Mutter, diese Briefe, die ja in Deutsch geschrieben sind, für sie ins Englische zu übersetzen. Das war für ihre Mutter eine große Herausforderung, vor allem emotional. Wir sind heute noch Inge Moss dankbar, dass sie dem Wunsch der Töchter entsprochen hat, denn so kamen wir in den Besitz der „Mosheim-Briefe“, wenn auch in englischer Sprache. Sue Alterman hat sie uns vor einigen Jahren übersandt.

Seit ihrem Deutschlandbesuch pflegte Inge Moss engen Briefkontakt zu Mitgliedern unserer Gesellschaft. Sie nahm – bis ins hohe Alter - lebhaften Anteil an der Arbeit unserer Gesellschaft und wusste unsere Bemühungen um Versöhnung zu würdigen. So schrieb sie in einem Brief vom Oktober 2008, als wir ihr das Gedenkbuch übersandt hatten:

Wertschätzung des Gedenkens

„Alle diese Beschreibungen der Mosheim-Familie haben mir und meinen Kindern ein näheres Bild der einzelnen Familienmitglieder gegeben… Ich selbst kann Ihnen versichern, dass wir und bestimmt auch andere Angehörige der früheren Vlothoer jüdischen Familie es sehr, sehr schätzen, und wir können Ihnen nicht genug für Ihr so gutes Werk danken.“

Inge Moss und ihre Töchter haben sich in besonderer Weise bei uns bedankt: Von ihnen ging die Anregung aus, Helmut Urbschat und Manfred Kluge für den Obermayer History Award vorzuschlagen.

Nach dem Tode von Inge Moss bleibt uns die tröstliche Gewissheit, dass die engen, freundschaftlichen Kontakte zur Familie Moss durch Sue und Leonard Alterman-Moss fortgeführt werden.

Quellen:
They Live in My Heart
Letters from the Family I Never Knew
Als Manuskript herausgegeben von
Susan Moss-Alterman, o. J.
Akten der Mendel-Grundmann-Gesellschaft

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